Sehr geehrter Herr Landrat,
die Einführung des Kommunal Passes für Flüchtlinge ist weder bei Betroffenen noch bei ehrenamtlichen Helfern auf Zustimmung gestoßen. Im Gegenteil – sie führte zu anhaltenden Irritationen. In Ihrer Pressemeldung vom 04.05.2016 sowie in einem ähnlich lautenden Brief, den die Aktionsgruppe Erding und alle anderen Helferkreise kürzlich von Ihnen erhielten, nehmen Sie dazu Stellung. Aus Platzgründen äußern wir uns hiermit nur zu einigen Punkten Ihres Schreibens – obwohl wir fast alle Argumente für die Einführung des Kommunal Passes widerlegen könnten.
Ihre Argumentation: „Die Bargeldauszahlung erforderte einen hohen Verwaltungsaufwand (…) sowie Security-Maßnahmen“
Der Verwaltungsaufwand dürfte sich seit der Einführung noch erhöht haben. Denn durch die Sperrung der im Grunde möglichen Bargeldabhebung an Bankautomaten kam eine Flut von Anfragen, Nachfragen, Beschwerden und Anforderungen auf kurzfristige finanzielle Unterstützung auf Ihre Mitarbeiter zu. Die angeführten Sicherheitsmaßnahmen bei der Bargeldauszahlung wurden auch erst notwendig, als die Auszahlung von den großen Räumen des Landratsamtes in die beengten Kellerräume in der Kirchstraße verlagert wurde.
Dennoch stimmen wir Ihnen zu, dass es bessere Möglichkeiten als eine Barauszahlung gibt – zum Beispiel die Überweisung des Geldbetrags auf Girokonten! Weshalb musste eigens eine Karte her, wo es doch für Bankkonten „echte“ und in ihrer Funktion nicht limitierte EC-Karten gibt?
„Kosten für Bargeldabhebung mit 4,50 Euro günstiger als Kontoführungsgebühren.“
Es ist davon auszugehen, dass kein Asylbewerber die ganze Summe auf einmal abheben wird. Damit bleibt es nicht bei einmaligen 4,50 Euro, sondern es wird für die Betroffenen sehr teuer. Und dies bei Leistungen, die unter dem Betrag von Hartz-IV-Empfängern liegen. Ihre Argumentation ist ohnehin nicht nachvollziehbar, denn ein Großteil der Asylsuchenden muss zusätzlich Bankkonten unterhalten, um Verträge für Handy- und Internetgebühren, Anwaltskosten etc. abwickeln zu können.
„Das Landratsamt ist rechtlich nicht befugt, von Asylbewerbern die Einrichtung eines Kontos zu fordern.“
Ist das Landratsamt denn befugt, von Asylbewerbern die Nutzung einer Geldkarte zu fordern? Zudem hat ab 01.06.2016 kraft Gesetz jeder Asylbewerber das Recht auf ein Konto. Beispiele aus umliegenden Landkreisen wie Freising zeigen, dass die Überweisung der monatlichen Leistungen auf Bankkonten hervorragend funktioniert. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das Landratsamt Freising diese Entwicklung stark unterstützt und der dortige Landrat bereits vor mehr als zwei Jahren die Sparkassen aufforderte, die Einrichtung eines Bankkontos für Asylbewerber zu ermöglichen.
„Die Karte kann innerhalb des Maestro-Systems im Handel zum bargeldlosen Einkauf wie eine EC-Karte mit PIN-Abfrage eingesetzt werden (….) Die Bedarfseindeckung kann (…) frei gestaltet werden und ist nicht auf bestimmte Geschäfte (…) eingeschränkt.“
Die Erfahrungen zahlreicher Helfer haben in den letzten Woche gezeigt, dass viele Geschäfte den Kommunal Pass trotz Maestro-Zeichen nicht akzeptieren. Darüber hinaus kann in Bäckereien, Metzgereien, auf Flohmärkten, bei der Tafel, kleinen Geschäften auf dem Land, am Kiosk oder im Bus nicht mit dieser Karte bezahlt werden. Damit liegt unserer Einschätzung nach eine große Einschränkung vor.
„Im 2. Schritt, so von Anfang an angedacht, wird es durch den Kommunal Pass die Möglichkeit geben einen Anteil seines Anspruches an Geld-und Bankautomaten abzuheben.“
Auf Anfrage teilten uns die Mitarbeiter Ihres Amtes in den Tagen nach der Ausgabe der Karte mit, eine Bargeldauszahlung sei nicht erwünscht und diese Funktion sei extra gesperrt worden. Erst sehr spät kam eine Erklärung, dass im 2. Schritt doch Bargeld in begrenztem Umfang abgehoben werden könne. Dies benötige nun aber aus technischen Gründen Zeit.
Warum wurde die Funktion überhaupt erst gesperrt? Wurden Flüchtlinge und Helfer im Ungewissen gelassen und teilweise in extreme Notlagen gebracht? Andererseits entbehrt diese Vorgehensweise (zuerst Sperrung, spätere – von Beginn an geplante – Rücknahme derselben) jeglicher Logik und Sinnhaftigkeit. Die zusätzlichen Kosten dieses Handelns bedürften vermutlich einer besonderen Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Landrat,
was jedoch die Helfergruppen in höchstem Maße betroffen aber auch zornig macht, ist Ihre Aussage gegenüber dem Münchner Merkur vom 10.06.2016, Sie seien „sogar dankbar für gewisse „rechtswidrige Dinge“, die Ehrenamtliche aktuell täten.“
In einer fragwürdigen Aktion führte das Landratsamt Erding ein System ein, das viele Menschen völlig ohne Bargeld zurück ließ. Und Helfer, die versuchten die Not zu mildern, werden nun als Rechtsbrecher beschuldigt? Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass die Politik ohne die Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer die Flüchtlingssituation nicht meistern könnte. Aus diesem Grund dürfen alle Ehrenamtlichen im Landkreis Erding auch von einem Landrat den Respekt erwarten, der ihnen aufgrund ihres großen Engagements zusteht. Äußerungen dieser Art sollte ein Landrat nicht artikulieren.
Das Vertrauen der Helfer wurde nachhaltig zerstört durch die Erfahrung mangelnder Bereitschaft des Landratsamtes zu einem fairen Umgang mit allen Beteiligten -insbesondere mit den betroffenen asylsuchenden Menschen.
Ihre Aktionsgruppe Asyl, stellvertretend für die Helfergruppen im Landkreis Erding